Fragen Sie Frau Dr. – Talk to the Brain: Kollagen: vom Schlachtabfall zum Proteinwunder?

Text & Zeichnungen von Dr. Martina Ollesch

Fragen Sie Frau Dr. – Talk to the Brain:

Thema: Kollagen: Vom Schlachtabfall zum Proteinwunder?

Selten hat ein Supplement einen so großen Aufstieg geschafft wie das Kollagen. Aus der stinkenden Abfallgrube der Schlachthäuser, wo sich Schweinefüße und Rinderhäute  von Kälberäuglein beobachtet die Hand geben, über die Gummibärchen als Glücklichmacher für Jung und Alt bis hin zum unverzichtbaren Hype in der Fitness und Beautyindustrie.

Gibt es eine wissenschaftlich basierte, von der Praxis im Sport unterstützte Wahrheit, die das Kollagen für Sportler wirklich interessant und relevant macht? Kurz zusammengefasst:

Eine Kollagensupplementierung ist tatsächlich ihr Geld wert.

Warum erkläre ich jetzt, zusammengeklaut aus dem Text des Research Reviews von Alan Aragon.

Kollagen ist das im Tierreich –wozu auch der Mensch gehört – am weitesten verbreitete Protein. So macht es auch 1/3 des menschlichen Strukturproteins aus. Eine ganze Menge.  Kollagen ist aus 3 Aminosäurenketten aufgebaut, die als Helix ineinander verschlungen sind. Dieser Aufbau macht es perfekt für seine Aufgabe im Bindegewebe, in Sehnen, Knorpeln usw. wo es gleichzeitig Struktur, Festigkeit und Elastizität verleiht.

Die ungewöhnliche Aminosäurezusammensetzung als Ursache für den schlechten Ruf

Kollagen besteht zu 35 % aus Glycin, 21 % Hydroxyprolin/Prolin und  11 % aus Alanin. Das sind ohne Ausnahme nicht-essentiellen Aminosäuren, also solche, die der Körper sich selber herstellen könnte. Gleichzeitig fehlt eine essentielle Aminosäure, das Tryptophan, dem Kollagenprotein völlig.

Wenn man sich jetzt überlegt, wie man üblicherweise die Proteinqualität eines Nahrungsproteins bzw. Supplements bewertet, dann wird schnell klar, wie Kollagen zu seinem schlechten Ruf als „Abfall“ kam.

Die Proteinqualität eines Nahrungsproteins wird üblicherweise darüber bestimmt, wie viele essentielle Aminosäuren darin enthalten sind und ob sie zudem im gleichen Verhältnis zueinander darin vorliegen wie in menschlichen Proteinen.

Im Sport betrachtet man dazu die aufzubauende Struktur das Muskelprotein und da schneiden Proteine wie das geliebte Whey (Molkenprotein) aus der Milch oder das gute alte Steak sehr gut ab. Gleichzeitig käme demnach ein Protein wie Kollagen, dem 1 essentielle Aminosäure sogar ganz fehlt, und das nichtessentielle Aminosäuren unproportional im Überschuss enthält, niemals für die Muskelproteinsynthese – ja nicht mal für die Totalproteinsynthese im Körper als „hochwertig“ in Frage. Wozu sollte man also gerade dieses „minderwertige“ Protein brauchen?

Noch dazu, wo man gerade im Sport/Fitnesssport ja meist mehr als genügend hochwertiges Protein pro Tag zuführen würde. Die Zufuhrempfehlung für Fitnesssportler liegen ja im Bereich von mindestens 2 g Protein pro kg Körpergewicht und werden von den meisten ja noch deutlich überschritten. 3 g Protein pro kg Körpergewicht sind keine Seltenheit

Zwei weitere Fehlannahmen bezüglich Kollagen

Was viele an dieser Stelle vergessen: Eine proteinreiche Ernährung sieht heute ganz anders aus als früher! Wurde früher ein Tier vollständig verwertet, also praktisch „alles mitgegessen“, so beschränkt sich heute der figurbewusste Sportler auf das Filet des Tieres oder das Schnitzel völlig ohne Knorpel und Sehnen, etc. – dadurch aber eben auch ohne „Kollagen“. Eine weitere Fehlannahme war, dass man lange Zeit glaubte, Kollagen wäre ein Protein im Körper, das sehr langlebig sei und nur ganz langsam abgebaut und deswegen auch selten erneuert werden müsste.

Die Proteine im Körper haben alle eine unterschiedliche Lebensdauer. Insulin z.B. (ein Protein-Hormon) lebt nur 1-2 Stunden bevor es in der Leber wieder in seine Aminosäuren zerlegt und abgebaut wird. Manche Proteine im Nervensystem dagegen überdauern fast ein ganzes Menschenleben ohne erneuert zu werden. Das dem Sportler bekannteste Beispiel ist das Muskelprotein, das nach der Belastung Schäden erleidet, die repariert werden müssen.

Auch die Kollagenstrukturen im Körper müssen ständig erneuert und besonders natürlich nach Belastung auch repariert werden. Dazu ist der Körper aber direkt während oder nach der Belastung auf das Anfluten genau dieser nicht-essentiellen Aminosäuren (jetzt semi-essentiellen Aminosäuren) im Blut angewiesen. Und wo können die jetzt herkommen. Nur aus dem Verzehr von Kollagen

Auf den Punkt gebracht: Sind Glycin, Prolin und Alanin jetzt nicht in großer Menge im Blut vorhanden, kann nicht optimal repariert werden. Gelenk- und Sehnenschäden sind die Folge. Aus einem Wheyprotein oder Hühnerbrustfilet bekommt der Sportler diese Aminosäuren garantiert nicht.

Zur Erinnerung:

Essenzielle Aminosäuren:

  • Isoleucin
  • Leucin
  • Lysin
  • Methionin
  • Phenylalanin
  • Threonin
  • Tryptophan
  • Valin
  • Histidin (Baby)

Nicht-Essenzielle Aminosäuren:

  • Alanin (11% des Kollagens)
  • Asparaginsäure
  • Glutaminsäure
  • Serin


Semi-essenzielle Aminosäuen

  • Arginin
  • Asparagin
  • Cystein
  • Glutamin
  • Glycin (35% des Kollagens)
  • Prolin (21% des Kollagens)
  • Tyrosin

Gelatine, Kollagen,  „undenaturiertes Typ II Collagen


Von was reden wir überhaupt. Wenn man die bindegewebigen Strukturen des Tieres, die heute nicht mehr zur Fleischproduktion eingesetzt werden, einer Spaltung mittels starker Säuren unterzieht, erhält man Gelatine wie in Gummibärchen, Götterspeise oder Tortenguss. Erledigen Enzyme die Spaltung erhält man das Kollagen, von dem wir hier in diesem Artikel sprechen. Dabei können auch so genannte bioaktive Peptide entstehen, kurze Aminosäureketten, die im Darm oder sogar im  Blut des Menschen auftauchen und eine biologische Funktion ausüben können. So zum Beispiel einen positiven Effekt auf die knochenbildenden Zellen (Schutz vor Osteoprose) Reparatur im Gelenk, Entzündungshemmung o.ä.. Auch ungespaltenes Collagen soll positive Effekte haben, zum Beispiel auf Autoimmunerkrankungen (rheumatische Arthritis). Hier ist die Forschung erst in den Anfängen, es lohnt sich auf jeden Fall aufmerksam zu bleiben und hinzuschauen.

Sicher wäre es sinnvoll, wenn man ein Tier zum Essen tötet, wieder mehr mitzuessen als nur das Filet. Für die eigene Gesundheit.

Praxistipp:

Einsatzgebiete:

  • Vorbeugung vor und Linderung von

Tendopathien (Sehnenerkrankungen durch Verschleiß, Über-oder Fehlbelastung),

Gelenkprobleme

Knochendichte

Hautverletzungen beim Sport

  • Krafttraining bei Älteren

Dosierung: 10 -15 g Kollagen vor der Belastung

10-15 g Kollagen vor der Belastung, damit die Aminosäuren und bioaktiven Peptide während der Belastung in erhöhter Konzentration im Blut vorliegen und direkt in die belasteten Strukturen zur Reparatur/Aufbau eingelagert werden können.

Dr. O

Gibt es auch eine vegetarische Alternative?

Leider nein. Datenlagen wenig vielversprechend.

P.S. Ein Aminosäurenprodukt mit „kollagenem Hydrolysat“ zu strecken und dann mit „zum Muskelaufbau“ zu deklarieren, bleibt genauso verwerflich wie zuvor.

Was kann ich noch für meine Gelenke tun: Glucosamin/Chondroitin/MSM. Da ist der Wirkmechanismus noch nicht ganz klar, aber die Effekte sind Schmerzreduktion und Entzündungsrückgang.

Beides findet ihr natürlich auch bei uns im Fitgiant Shop