Kann Laktose (Milchzucker) „Wasser ziehen“? Dem Täter auf der Spur.

Text von Fitgiant Brain Dr. Martina Ollesch

Eine der weit verbreiteten Meinungen im Bodybuilding Sport ist, dass Milchzucker- also die Laktose- „glatt macht“ oder „Wasser unter die Haut zieht“. Daher werden Milchprodukte gemieden. Ich möchte in diesem Artikel  gemeinsam mit euch das Schicksal des mit der Nahrung zugeführten Milchzuckers auf seinem Weg vom Mund zum Tatort Haut nachverfolgen. Mal sehen ob wir den Erstverdacht erhärten können.

Hier zuerst ein Fahndungsfoto des Angeklagten: Laktose

Laktose

Laktose ist ein Zweifachzucker, der aus 1 Glukose (Traubenzucker) und 1 Galaktose (Schleimzucker) besteht, die chemisch miteinander verknüpft sind. Fachbegriff für Zweifachzucker: Disaccharid. Ein Bruder des Angeklagten ist der Haushaltszucker,  Saccharose (1 Glukose plus 1 Fruktose), dem ebenfalls einige Verbrechen angelastet werden. Also offensichtlich mafiöse Strukturen.

Getarnt im Milchprodukt gelangt der Verdächtige als Energieträger vom Mund über den Magen in den Dünndarm. Dort spaltet das Enzym Laktase– eine biologische Schere – die chemische Bindung zwischen der Glukose und der Galaktose auf, so dass aus dem Zweifachzucker 2 Einfachzucker entstehen. Das ist unbedingte Voraussetzung für die Aufnahme aus dem Darmrohr in die Darmzellen und von dort aus ins Pfortaderblut, was direkt in die Leber fließt.

Laktose

Die Glukose bleibt entweder in der Leber gespeichert oder wird zum Stabilisieren des Blutzuckerspiegels aus der Leber in den Körperkreislauf entlassen. Glukose zieht aber kein Wasser unter die Haut, die ist ja nicht verdächtig. Bleibt noch die Galaktose, der Schleimzucker, hört sich ja auch schon so schwammig an. Die muss es sein! Doch was macht die Leber mit der Galaktose: Die Leber lässt die Galaktose gar nicht raus. Die macht in einem einfachen chemischen Umbauprozess aus der Galaktose eine Glukose. Diese Glukose kann dann entweder gespeichert werden oder wird zum Stabilisieren des Blutzuckerspiegels aus der Leber in den Körperkreislauf entlassen. Glukose ist Glukose, die zieht kein Wasser….

Was heißt das jetzt für unsere Haut? Die sieht weder Laktose noch Galaktose, die weiß also gar nicht, dass man davon was gegessen hat. Alles was die Haut sieht, ist die Glukose, die sie sowieso den ganzen Tag bekommt.

Laktose

Der Vollständigkeit halber soll noch auf die Menschen eingegangen werden, die eine Laktoseintoleranz habe, eine Milchzuckerunverträglichkeit. Hier gelangt die Laktose erst gar nicht in den Körper. Im Darm fehlt nämlich das Enzym (Laktase) was den Zweifachzucker aufspaltet. Ungespalten kann dieser Zucker aber überhaupt nicht aufgenommen werden. Er muss im Darm zurückbleiben. Mit den Symptomen, die man dann kennt: Blähungen und Durchfall. Hier wird tatsächlich Wasser gezogen, aber IN DAS Darmrohr. Weil alles was im Darm nicht aufgenommen werden kann, da hinein Wasser zieht.  Die Haut kriegt davon ebenfalls nichts mit.

Doch sind die Milchprodukte jetzt von allem Verdacht befreit? Nein leider nicht ganz:

Jetzt schiebt der fälschlich Verdächtigte die Schuld auf das Casein (das Milchprotein). Ob wir hier dem Täter näher kommen, beschreibe ich, wenn das Casein vernommen wurde und die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Inulin der Ballaststoff, der wirklich beim Abnehmen hilft…

Text von Fitgiant Brain Dr. Martina Ollesch

Inulin ist eine riesige, lange Kette von ca. 100 Fruktosebausteinen.

Halt!… Fruktose?…
Haben wir nicht gelernt wie schlecht Fruktose für den menschlichen Stoffwechsel ist? (siehe Artikel Süßungsmittel) Doch, das stimmt.  ABER: Wenn die Fruktosebausteine chemisch miteinander zu einer langen Kette verknüpft sind, dann kann der Menschendarm sie nicht spalten und daher die Fruktose auch nicht ins Blut aufnehmen. Kohlenhydratketten, die der Mensch nicht spalten kann, nennt man Ballaststoffe. Die Polyfruktose Inulin durchquert also ungespalten den Dünndarm und gelangt in den Dickdarm. Dort trifft sie auf unsere Darmflora, die aus ca. 1000 verschiedenen Bakterienstämmen besteht. Die Zusammensetzung der Bakterienstämme bestimmt ob ein Mensch normalgewichtig (schlank) oder übergewichtig (dick) ist, je nachdem welche Bakterienstämme vorherrschen.  Inulin ist nun Futter für die Bakterien und glücklicherweise Futter für die Bakterien, die zu den „schlankmachenden“ Bakterien gehören. Vereinfacht gesagt, kann man mit dem Ballaststoff Inulin die schlankmachenden Bakterien vermehren und hochzüchten und die dickmachenden Bakterien ausrotten bzw. aus dem Darm verdrängen.

Weitere Wirkungen von Inulin bezüglich Gewichtsmanagement sind:

  • Vermehrte Bildung von Sättigungshormonen im Darm und
  • verminderte Bildung von Hungerfaktoren aus dem Magen.

Dadurch nimmt man automatisch weniger Kalorien zu sich (ohne Tracken) oder man hält eine vorgegebene Kalorienzahl in der Diät leichter durch.

Ursprünglich war von Polyfruktosen wie Inulin bekannt, dass sie den Blutzucker und die Blutfette verbessern können. Inulin erhöht auch die Aufnahme von Calcium und Magnesium und beugt so der Osteoporose vor.

Wie die Darmbakterien (Mikrobiota/Mikrobiom) euer Körpergewicht bestimmen und euch beim Abnehmen hindern, lest ihr in der nächsten Folge….

Verbrechen: Wasser unter der Haut. Casein auf der Anklagebank.

Text von Fitgiant Brain Dr. Martina Ollesch

Nach dem wir bei der letzten Verhandlung den Verdächtigen „Milchzucker“ freisprechen mussten, sitzt heute ein weiterer Angehöriger des Milch-Clans auf der Anklagebank. Sein Name: Casein.
Doch wie kann es sein, dass ein hochwertiges Protein wie Casein, das wunderbar sättigt, was man doch im Käse, im Quark, im Hüttenkäse usw. möglicherweise täglich als Vertrauten um sich hat, plötzlich ein übler Verbrecher sein soll? Nein, also das fällt den Schöffen schwer zu glauben. Da muss der Staatsanwalt bei der Beweisführung etwas weiter ausholen.

Casein

Abb. 1:

Der menschliche Darm trennt die Außenwelt vom Körperinneren ab. Das Darm“rohr“ ist also praktisch gesehen „Außenwelt“ so wie der umgestülpte Finger bei einem Handschuh.
Die Zellen der Darmwand bilden die Grenze zum Körperinneren. Wie Türsteher entscheiden sie: „Du kommst hier nicht rein“ oder „Du kannst rein“. Für die aufgespaltenen Nahrungsbestandteile wie Aminosäuren und Glucose gibt es Kanäle durch die Darmzellen hindurch ins Blut. Das ist ja auch die Aufgabe des Darms, Nahrungsaufnahme. So wie Türsteher möglichst viele passende Gäste in das Lokal lassen sollen.

Die Darmzellen bilden eine eng aneinander liegende Schicht als Darmwand. Zwischen ihnen soll nichts durchkommen. An manchen Stellen sind sie sogar fest, wie mit einem Kuss, miteinander verbunden (Fachwort; Tight Junctions). Oben, wo sich die schicke Frisur (Fachwort Mikrovilli) befindet, werden die Nährstoffe mit Transportern aus dem Darmrohr in die Darmzelle aufgenommen und auf der anderen Seite ins Blut wieder abgegeben. Dieses Blut (Pfortaderblut) fließt mit den Nährstoffen zur Leber.

Casein

Abb. 2:

Für ganze (intakte) Proteine aber, die nicht in Aminosäuren aufgespalten wurden, gibt es solche Kanäle nicht. Das macht auch Sinn. Denn Fremdproteine (und das sind alle mit der Nahrung aufgenommenen Proteine) sollen nicht ins Blut gelangen, sonst gibt es eine Abwehrreaktion von unserem Immunsystem – es könnten ja Viren oder Bakterien sein.
Jetzt gibt es aber ein paar Nahrungsproteine, die können möglicherweise Troublemaker im Darm sein,  bei empfindlichen Menschen, deren Darm entsprechend vorbelastet ist, bei denen also die Türsteher nur die B-Mannschaft sind. Dann verursachen diese Proteine einen ziemlichen Aufruhr im Darm (eine Entzündungsreaktion), und schaffen es dabei, sich durch die ansonsten geschlossene Front der Türsteher durch die Darmwand durchzuquetschen und erreichen das Blut.

Casein

Abb. 3:

Hier sieht man was passiert, wenn ein Troublemaker in einen entsprechend empfindlichen Darm kommt. Gluten, oder hier dargestellt das Casein, was von dieser Person nicht vertragen wird, vielleicht weil sie vorher Antibiotika eingenommen hat, ihre Darmflora nicht ordentlich ernährt hat oder sonst ein Problem hatte,  erreicht die Darmzellen. Jetzt ruft das Troublemakerprotein eine Entzündungsreaktion an den Darmzellen hervor. Die Darmzellen, die vorher eng bei einander gelegen haben, weichen erschrocken auseinander und jetzt kommt es zum Supergau. Komplette Proteine – fremde Proteine (vom Weizen, von der Kuh…) können sich aus dem Darm durch die Lücken ins Blut quetschen. Das wird Folgen haben!

Hier treffen sie dann auf die körperinnere Security, das Immunsystem, das jetzt mit Funk alles für einen Gegenschlag zusammentrommeln will. Diese Funksignale bringen aber auch den ganzen Stoffwechsel durcheinander: Wassereinlagerung und Körperfettzunahme, ja sogar eine Insulinunempfindlichkeit (Vorstufe zum Diabetes) können die Folge sein.
Das Weizeneiweiß Gluten und das Milcheiweiß Casein sollen solche Troublemaker sein.
Deshalb sitzt das Casein jetzt als Randalierer auf der Anklagebank.

Casein

Abb. 4:

Hat es das Casein tatsächlich zwischen den Darmzellen hindurch intakt bis ins Blut geschafft, kommt natürlich sofort  das Immunsystem und hängt sie wie ein Rucksack an das fremde Protein um es unschädlich zu machen. Dabei wird eine völlig unnötige, überzogene  Entzündung ausgelöst. Die Entzündungssignale gelangen wie über Funk in den ganzen Körper und beeinflussen jetzt überall den Stoffwechsel….und natürlich negativ. Wassereinlagerung, Insulinresistenz, verminderter Fettabbau sind die Folge.

„Einspruch“ ruft die Verteidigung: Sie wollen jetzt also dem Casein unterstellen, dass es eine Immunantwort wie eine Allergie auslöst. Dafür müssten Sie ja dann Beweise liefern können. Das Casein müsste Fußabdrücke in Form von Immunkörpern IgE hinterlassen haben. Können Sie solche Antikörper-Fußabdrücke nachweisen?“
„Nein“ sagt der Staatsanwalt „wir haben nur einige unklare Spuren von erhöhten IgG gefunden“
„Sie wissen genau, dass das von der Medizin nicht anerkannt wird, also ist es auch vor Gericht nicht als Beweis zugelassen“, kontert die Verteidigung.  Diesen Einspruch musste der Richter gelten lassen.
„Aber wir können zeigen, dass die Türsteher im Darm von diesen (wenigen) empfindlichen Personen, wenn sie in Kontakt mit dem Casein kommen, deutliche Reaktionen einer erhöhten Erregung zeigen und auseinander weichen“ wirft der Staatsanwalt ein.
Ja, natürlich sind das Indizien, aber für einen eindeutigen Schuldspruch reicht es dem Richter keinesfalls aus!!! Das Casein kann keinesfalls unter Allgemeinverdacht gestellt werden. Lediglich bei empfindlichen Personen muss es weiter beobachtet werden, inwiefern es dort als Schuldiger in Frage kommen könnte.
Allerdings als guter Rat: Sollten im Rahmen einer kalorienreduzierten Diät die Erfolge ausbleiben, könnte man durchaus versuchen Gluten und/oder Casein im Ausschlussprinzip eine Zeit lang zu verbannen und gegen eine andere Proteinquelle zu ersetzen. Stellen  sich dann ein Gewichtsverlust und eine verminderte Wassereinlagerung ein, verzichtet man halt darauf. Ist das nicht der Fall, kann man weiter Casein als hochwertiges Protein verzehren und muss weitersuchen.

Wir halten fest:

Es gibt Entzündungsreaktionen im Darm.

  1. Entzündungen im Darm beeinflussen den Stoffwechsel (Wassereinlagerung, Gewichtszunahme, Insulinresistenz…)
  2. Entzündungsreaktionen im Darm können verschiedene Auslöser haben, gelegentlich gehören auch Proteine wie Gluten, selten Casein dazu (viel seltener als angenommen).
  3. Eine undichte Darmbarriere und eine gestörte Darmflora sollten unbedingt vermieden werden.

Wie man die Darmbarriere mit der Ernährung beeinflussen kann, lest ihr in der Fortsetzung.